Im Herbst

 

Der schöne Sommer ging von hinnen,

der Herbst der reiche, zog ins Land.

Nun weben all die guten Spinnen

so manches feine Festgewand.

 

Sie weben zu des Tages Feier

mit kunstgeübtem Hinterbein

ganz allerliebste Elfenschleier

als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.

 

Ja, tausend Silberfäden geben

dem Winde sie zum leichten Spiel,

die ziehen sanft dahin und schweben

ans unbewusst bestimmte Ziel.

 

Sie ziehen in das Wunderländchen,

wo Liebe scheu im Anbeginn,

und leis verknüpft ein zartes Bändchen

den Schäfer mit der Schäferin.

 

Wilhelm Busch (1832 - 1908)

ausgesucht und vorgetragen von Margarethe

 

 

 

 

 

Ginkgo Biloba

 

Dieses Baumes Blatt, der von Osten

Meinem Garten anvertraut,

Gibt geheimen Sinn zu kosten,

Wie`s den Wissenden erbaut.

Ist es ein lebendig Wesen,

Das sich in sich selbst getrennt?

Sind es zwei, die sich erlesen,

Dass man sie als eines kennt?

Solche Fragen zu erwidern

Fand ich wohl den rechten Sinn.

Fühlst du nicht an meinen Liedern,

Dass ich eins und doppelt bin?

 

Johann Wolfgang von Goethe

(ausgesucht und vorgetragen von Karin)

 

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Blattgeflüster

 

Im luftigen Orte

mit tausenden von unserer Sorte

wohnte ich neben dir

im schönsten Quartier

 

Du wolltest mich berühren

leidenschaftlich verführen

küssen auf Mieder und Mund

und zwar zu jeder Stund

 

Mal stürmisch mal leise

dieses Flattern war ich leid

ich buchte eine Reise

zog mir an ein neues Kleid

 

Du brauchst nicht verzagen

wirst mir folgen nach Tagen

tanzend bei kühlem Wind

sagte ich Ade geschwind

 

(Maria Winter hat ihr eigenes Gedicht vortragen.)

 

 

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Astern

 

Astern - schwelende Tage,

Alte Beschwörung, Bann,

Die Götter halten die Waage

Eine zögernde Stunde an.

 

Noch einmal die goldenen Herden

Der Himmel, das Licht, der Flor,

Was brütet das alte Werden

Unter den sterbenden Flügeln vor.

 

Noch einmal das Ersehnte,

Den Rausch der Rosen Du -

Der Sommer stand und lehnte

Und sah den Schwalben zu.

 

Noch einmal ein Vermuten,

Wo längst Gewißheit wacht:

Die Schwalben streifen die Fluten

Und trinken Fahrt und Nacht.

 

Gottfried Benn

(ausgesucht und vorgetragen von Ingrid H.)

 

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Rinder, schwarzweiß, rotbunte Rinder

unter den sturmversehrten Bäumen.

Hängende Äste in Splitterung weiß,

das sattgrüne Blattwerk welk druchbräunt.

 

Streuung der Früchte weit vor der Reifung.

Zerschlagen die blühenden Blumengesichter.

Manch einen stattlichen Recken gefällt,

die Wurzel im Reißen hochgekippt,

und die Krone, die weite, ins Breite zerschmettert.

 

Andere, die sich behaupten wollten,

vom wütigen Wirbel mittlings zerrissen.

Unsagbar traurig starrt ihr Rumpf.

 

Bäche sind fallend überwölbt.

Wege enden an querenden Stämmen.

Das Sein in der Ebene gliedert sich neu,

die Schritte folgen veränderten Mustern.

 

Doch alles lebt weiter, sommerlich wachsen.

Was Äste hat, es breitet sie hin.

Und im Schatten, gelassen wiederkäuend,

rotbunte Rinder, Rinder schwarzweiß.

 

Franz Joseph van der Grinten

(ausgesucht und vorgetragen von Manfred)

 

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Ein bunter Sommertraum

 

Sommer ist, wenn du dich fröhlich fühlst,

heiter und - ? - bunt, bunt, bunt.

Du siehst bunt

das Meer der Blüten

in Wiesen, Gärten und Häuserfassaden,

das Farbenkarussell von Kleiderstoffen und Straßencafés.

Du hörst bunt

die Jubelmusik des Sommers:

das Zwitschern der Vögel, das Grillenkonzert,

Hundegebell und fröhliches Lachen der Kinder.

Du riechst bunt

aus vielerlei Tausend-und-einer-Nacht,

gezaubert von Blumen und Bäumen,

taufrisch, sonnenwarm regendurchtränkt.

Du fühlst bunt, denn Sommer ist

heiter und - ? - bunt, bunt, bunt

 

Elke Bräunling

(ausgesucht und vorlegen von Ingrid S.)